Zur Dorfgeschichte von Settmarshausen
Vorwort
Vorliegender Text entstand aus der Arbeit eines Kurses der Kreisvolkshochschule Göttingen unter der Leitung von Ingrid Balles. Nachdem außer den planmäßigen Zusammenkünften von einigen Teilnehmern erheblich viel Arbeit, Zeit und Kosten aufgewendet worden waren, wurde uns klar, daß die Ergebnisse es wert sind, in einem "richtigen" Buch zusammengefaßt zu werden.
Unser Anliegen war, überwiegend solche Erlebnisse und Eindrücke festzuhalten, die die Chronik der Gemeinde nicht verzeichnet. Möglich wurde diese Form der Veröffentlichung erst durch die finanzielle Unterstützung der Gemeinde Rosdorf, des Ortsrates Settmarshausen, der Sparkasse Göttingen und der Raiffeisenbank Rosdorf, denen unser Dank gilt.
An dieser Stelle danken wir auch allen Einwohnern, die durch ihre Erinnerungen und die Bereitstellung vieler Bilder das Gelingen des Vorhabens ermöglichten.
Für die fotografischen Arbeiten zeichnet Ortsheimatpfleger Walter Kirchhoff verantwortlich.
Für die Arbeitsgruppe: Gisela Ilse
November 1992
Settmarshausen war ein kleines und sehr armes Dorf. Die kargen Ackerböden erbrachten nur geringe Ernteerträge, so daß die Bauern auch noch anderen Beschäftigungen nachgehen mußten.
In der Chronik berichtet man über Settmarshausen, daß dort im Jahr 1585 vier Ackersleute, 21 Kötner, 1 Bettler und 2 Häuslinge wohnten, was besagt, daß 86% der dort wohnenden Familien kaum das Existenzminimum besaßen. Diese ungünstige soziale Lage sollte das Dorf bis ins 19. Jahrhundert behalten.
In ersten Jahr des Weltkrieges 1914-18 wurde im Dorf mit der Elektrifizierung begonnen, aber erst 1920 gab es den ersten Strom in den Häusern, und schon 1931/32 mußte die ganze Leitung wegen unbrauchbaren Materials wieder erneuert werden.
Durch Wilhelm Köthe kam Settmarshausen zu dem historischen Datum, daß hier am 13. Mai 1925 einer der ersten Radioapparate des Landkreises aufgestellt wurde.
Während der Amtszeit des Bürgermeisters Otto Bergmann entstand 1960 nördlich oberhalb des Altdorfes eine neue Siedlung.
Mit zunehmender Einwohnerzahl wurde 1961 eine Ringwasserleitung gebaut und 1964/65 die Schmutzwasserkanalisation verlegt.
Bereits 1901 genehmigte der damalige Rat der Gemeinde den Bau einer privaten Wasserleitung, die vom Gemeindebrunnen bei Hartmanns Grundstück bis zum Haus Nr. 4 (jetzt Herbert Warnecke) führte.
Die Beeke, die bis 1975 als offener Bach durch das Dorf floß, wurde 1901 für 1350 Mark als Wassergraben mit Steinen ausgemauert und 1975/76 beim Ausbau der Dorfstraße in Rohre unter dem jetzigen Fußweg verlegt. Die Alte Dorfstraße wurde 1975/76 ausgebaut und um mehrere Meter verbreitert. Dazu mußte der Schuppen von Friedel Grube (vorher Henneke-Pasche) abgerissen werden und einige Vorgärten mußten weichen.
Der Bauernhof von August Häger mußte ebenfalls abgerissen werden. Diese Fläche ist heute die Einfahrt zum Schmiedeweg und Gatzenberg.
1964/65 begann man, den Thie neu zu gestalten. Die alten Linden wurden abgeholzt und der verkleinerte Thie mit einer neuen mauer eingefaßt, mit jungen Linden bepflanzt, und es wurde eine Sitzbank aufgestellt. Der Thie hat heute leider seinen ursprünglichen Charakter verloren.
Vor 50 Jahren, zu Beginn des 2.Weltkrieges, hatte Settmarshausen 378 Einwohner; heute sind es rund 1000 Einwohner. Nach der Gebietsreform schloß sich Settmarshausen 1972 als erster Ort der Gemeinde Rosdorf an.
Walter Kirchhoff
Das Peitschenstockmacherhandwerk
In Settmarshausen gingen August Rümenap und sein Sohn Karl Anfang des 20. Jahrhunderts einem überkommenen Handwerk nach. Schon die vorherige Generation übte den Beruf des Peitschenstockmachers aus. Von diesem Handwerk soll hier die Rede sein. Die Peitschenstöcke, die ausschließlich im Harz vertrieben wurden, nannten sich Harzer Peitschen.
Nach dem Verlust des Laubes wurden die Bäume - Feldahorn, genannt Epelteern - im Leinebusch sowie im Varmisser und Klein-.Wiershäuser Wald geschlagen, mit einem Kuhgespann abgefahren und in der Scheune gelagert. Diese Nebenerwerbstätigkeit wurde hauptsächlich im Winter und bei schlechtem Wetter betrieben.
Eine Werkstatt war nicht vorhanden. Dafür wurde die Küche, die verhältnismäßig groß war, zur Hälfte als Werkstatt genutzt. In ihr befand sich eine sogenannte Ziehbank (Tögebank). Der Baumstamm wurde mit einem Keil in entsprechende Vierkanthölzer gespalten. Nachdem das Holz auf Länge gestutzt war, wurde es weiterhin mit dem Keil bearbeitet. Oberhalb des Griffes, der später rund geschnitzt wurde, wurde das Holz in vier Ruten geteilt. Auf der Ziehbank wurden die Ruten mit dem Ziehmesser (Tögemesser) glatt gezogen und anschließend mit einem Schnitzmesser rund geschnitzt. Wenn ein Vorrat von ca. 30 Stöcken geschafft war, kamen sie in einem Kessel mit kochendem Wasser. Dort mußten sie eine Zeitlang ziehen, damit das Holz geschmeidig und weich wurde. Im Backhaus stand ein Ständer (Tremper), in dem sich ein Loch befand. Darin wurde der Stockgriff verkeilt. Nun mußten Vater und Sohn jeweils zwei Stränge drehen, die dann nochmals zu einem Strang verflochten wurden. Zum Schluß wurden die Peitschen durch eine Presse gedreht, so daß sie schön gleichmäßig aussahen.
In Sackleinwand verpackt wurden sie per Post an die Kunden verschickt. Zur Adressierung an die Kunden ist noch erwähnenswert, daß die Postadresse auf der Rückseite mit einem Brei aus Mehl und Wasser bestrichen wurde. Ein direkter Verkauf an die Kundschaft fand ebenfalls statt. Herr Georg (Schorse) Jordan fungierte als Reisender in Sachen Peitschenstöcke. Er reiste mit einem Bestand an Waren direkt zu den Kunden in den Harz und verdiente sich so noch ein Zubrot zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb. Seit dem Ableben des August Rümenap im Jahre 1943 existiert das Peitschenstockmacherhandwerk nicht mehr.
Irmgard Bergmann
geb.Rümenap
Dorfladen
Das Haus "Alte Dorfstraße 22" wurde im Jahr 1897 aus dem Abriß der alten Schule von Justus Werder, dem Großvater von August Häger sen. neu aufgebaut.
Um das Jahr 1902 baute ein Herr Lobert an dieses Haus einen Laden an(siehe Bild). Der Ausbau der oberen Etage im Wohnhaus erfolgte mit primitiven Mitteln. So baute man den Fußboden aus Waschpulverkisten, denn Holzverpackung war zu der Zeit der billigste Baustoff. Die Balken des Obergeschosses waren nicht bearbeitet, sie wurden nur entrindet und rauh eingebaut. Große "Jesusnägel" schlug man in die Balken auf beiden Seiten ein; an diesen hingen Holzpantinen, die verkauft werden sollten. Als Schuhersatz für die teuren Lederschuhe fanden sie guten Absatz.
Das Haus mit Laden kam dann an Willi Köthe, von ihm ging es nach dem 1.Weltkrieg an Heinrich Bürger über.
In dem strengen Winter 1928 fror der Ladenanbau hoch, dicke Risse zierten das Mauerwerk, die Eingangstür ging nicht mehr auf. Bürgers rissen den Laden ab und errichteten stattdessen einen doppelgeschossigen Anbau mit Laden im Erdgeschoß. Bis 1963 befanden sich der Laden und das Haus im Familienbesitz, letzter Eigentümer war Walter Schwarz. Heute ist das Gebäude das Wohnhaus von Erich Rümenap.
In den Jahren vor dem 1.Weltkrieg bestand das Warenangebot in der Hauptsache aus Kurzwaren wie Nadeln, Knöpfen, Bändern, Garnen, Nägeln, Holzpantinen und Kolonialwaren wie Reis, Gewürzen, Zucker, Öl, Essig, Salz, Kaffee und Harzkäse - andere Käsesorten kannte man nicht. Aber auch Waschpulver, Petroleum und Heringe, also alles Artikel, die nicht selbst hergestellt werden konnten, standen im Angebot.
Die Anlieferung dieser Waren besorgte ein Großhändler, die Fa. Henjes und Beißner aus Göttingen, bis in die 30iger Jahre mit Pferden und Planwagen. In den Jahren 1934-1935 tauchten dann einmal im Monat die ersten Lastwagen auf. Bei solchen Lieferungen schleppten die Fahrer z.B. 100-Kilo-Zuckersäcke auf dem Rücken in das Haus. Nudeln gab es lose in Kartons, Salz in Jutesäcken und Margarine lose in Holzwannen, die zum Waschen von kleiner Wäsche als Holzzuber bei den Kunden begehrt waren. Waschpulver lieferte der Grossist in großen Holzkisten, darin lagen dann die fertig abgepackten Päckchen. Erst später bestand das Verpackungsmaterial aus stabilen Pappkartons mit Deckel. Heringe wurden zu 800 oder 400 Stück in Holzfässern geliefert. Die leeren Fässer fanden immer Weiterverwendung bei den Kunden.
Die Settmarshäuser waren in vielen Dingen Selbstversorger. Sie hatten Landwirtschaft, einen Garten, arbeiteten in Olenhusen oder die Frauen gingen im Taglohn zu den Bauern. Aus diesem Grunde gaben die Kunden für Grundnahrungsmittel nie viel Geld aus. Sie kauften das Notwendigste. Wenn mal viel Arbeit anfiel, holte man vom Kaufmann Heringe, die mit gekochten "Pellmännern" und einer Gurke ein Abendessen ausmachten.
Einige Kunden bezahlten ihren Einkauf mit Eiern, die Bürgers während der Woche sammelten und dann vom Landwirt Theodor Akkerhans mit einer Kiepe abholen ließen; er brachte die Eier mit einem Pferdewagen nach Göttingen, dort belieferte er damit Bäckereien, Hotels, Mittagstische.
Ein Dorfkaufmann mußte auch Glaubersalz gegen Verstopfung bei Schweinen oder Kupfervitriol zum Behandeln der Weizensaat (Schutz gegen Mäuse) führen.
Kleine Kunden kamen oft in den Laden, sie besaßen meistens nur einen Pfennig, dafür wollten sie "Bolchen, wo es die meisten von gibt."
Speiseöl kam in Zinkkannen oder in 200-LiterFässern in das Geschäft. Aus diesen Behältnissen pumpte der Kaufmann im Keller das Öl in eine Kanne. Den Inhalt kippte er im Laden in ein viereckiges Ölfaß, an dessen Vorderseite ein Meßglas angebracht war.
Man öffnete den oberen Hebel des Meßglases und ließ die gewünschte Menge Öl einlaufen. Nun wurde eine vom Kunden mitgebrachte Flasche an den unteren Auslauf gehalten und der untere Hebel geöffnet; das Öl floß in die Flasche: eine umweltfreundliche Verkaufsmethode, die längst vergessen ist.
Zur Schlachtezeit erfuhr das Sortiment eine Erweiterung. Die Kunden brauchten Därme, Blasen, Gewürze, Wurstspeile und Bänder. Außerdem besaß der Kaufmann eine Dosenmaschine, mit der er Dosen abschneiden und verschließen konnte.
Im Gegensatz zu heute tätigten die Kunden keinen Wocheneinkauf, sie holten das, was sie gerade brauchten, auch wenn sie dann mehrmals am Tag kamen.
Ein oft notwendiges Mittel für das Bezahlen war das "Anschreiben". Hierbei schrieb der Kaufmann in einem "Anschreibebuch" alle Beträge auf, die dann von den Familien nach ihrer finanziellen Möglichkeit bezahlt wurden. Nach dem Kriege verlor diese Art der Bezahlung allmählich an Bedeutung.
Im Zuge der einsetzenden Motorisierung fanden nun mehr und mehr Settmarshäuser in Göttingen und Umgebung Arbeit. Sie verdienten Geld und konnten das Warenangebot der Stadt Göttingen problemlos nutzen. 1963 wurde der alte Dorfladen geschlossen. Er war viel zu klein geworden und konnte nur noch ein unzureichendes Warenangebot bieten. Die Familie Schwarz eröffnete auf der gegenüberliegenden Seite, Osterbergstr. 2, ein neues Geschäft.
Einkaufsgewohnheiten
Es war in früheren Jahren noch nicht üblich, daß die Bauern, die eine kleine Landwirtschaft ihr eigen nannten, nebenbei als Pendler etwas dazuverdienten. Das hieß für die Hausfrau "einteilen und auskommen". Also wurden ab Hof Butter, Milch und Eier verkauft. Für den Erlös konnten dann die Einkäufe beim örtlichen Kaufmann getätigt werden. Später wurde die Milch in die Molkerei nach Göttingen geliefert. Das Milchgeld, das jeweils am 15. eines jeden Monats ausgezahlt wurde, diente als Einkaufsgeld für die Hausfrau. In vielen Familien wurde ein Einkaufsbuch geführt, auf welches den ganzen Monat eingekauft wurde. Man nannte das "Anschreiben". Sobald das Milchgeld eingegangen war, wurde die Schuld beglichen.
Der Broteinkauf wurde folgendermaßen geregelt: Roggen wurde zur Mühle nach Rosdorf gebracht. Dafür gab es dann eine bestimmte Menge Mehl. Dieses bekam der hiesige Bäcker, bei dem man dafür Brot kaufen konnte. Die Anzahl der Brote wurde in ein Büchlein eingetragen, und so konnte man sie je nach Gebrauch abholen. Es mußte aber ein Backgeld entrichtet werden. Viele Frauen buken ihr Brot allerdings auch im eigenen Backofen.
Weizen wurde ebenfalls in der Mühle gegen Mehl getauscht. Dieses wurde in einer Vorratskammer aufbewahrt. Das Mehl - es mußte allerdings oft vor Mäusen geschützt werden - wurde dann zum Backen von großen Blechkuchen (Ploatenkuchen) und Weißbrot (Luffen) verwandt. In früherer Zeit buken die Hausfrauen im eigenen Backofen oder beim Nachbarn ihre Backwaren ab, später wurden sie beim Bäcker gebacken.
Zu einem Einkauf größeren Ausmaßes, dazu zählte Kleidung usw., gingen die Frauen zu Fuß mit einer Kiepe auf dem Rücken nach Göttingen.
Außerdem kamen verschiedene Handelsleute mit Textilien und Kurzwaren an bestimmten
Tagen der Woche ins Haus. Hier konnte auch auf Abzahlung eingekauft werden.
Irmgard Bergmann
geb. Rümenap
Gemeindestruktur Altdorf
Um die Jahrhundertwende und bis weit hinein in die Nachkriegszeit war Settmarshausen hauptsächlich landwirtschaftlich strukturiert. Es waren aber auch kleinere Wirtschaften, die größtenteils auf einen Nebenerwerb angewiesen waren. Es gab einige Pferde- und Ochsengespanne, die meisten Landwirte mußten aber ihre Äcker mit Kuhgespannen bestellen. Zu Nebenerwerbstätigkeiten dienten die Wälder rings um die Ortschaften. Während der Winterzeit konnten die Landwirte beim Holzeinschlag ihren dringend notwendigen Lohn verdienen. Der Ertrag der Feldfrüchte war auf dem kargen, steinhaltigen Boden nicht groß. Erst mit der Erfindung des Kunstdüngers änderte sich diese Situation, Mit dem Verdienst des Nebenerwerbs mußten mitunter auch die anfallenden Düngerrechnungen bezahlt werden.
Eine größere Anzahl der Einwohner fand auf dem Gut Olenhusen oder in Göttingen, und da größtenteils bei der Eisenbahn, eine Anstellung. Die Wege zur Arbeitsstätte wurden durchweg zu Fuß, später auch mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ein Busverkehr wurde erst nach der Währungsreform eingerichtet. Bleibt zu erwähnen, daß es viele Kleinlandwirte gab, die ein bis drei Morgen Land ihr eigen nannten. Da sie nicht die Möglichkeit hatten, es selbst zu bewirtschaften, wurde dies von größeren Betrieb übernommen. Der Arbeitsaufwand wurde abgegolten, indem die Betreffenden bei Bedarf, z.B. beim Rübenhacken oder Kartoffelroden eingesetzt wurden. Von ihren landwirtschaftlichen Erträgen konnten sie sich dann ein Schlachteschwein füttern sowie Ziegen, Gänse und Hühner halten, so daß die Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Wurst, Milch, Eier und Kartoffeln schon mal vorhanden waren.
Es gab auch einige Gewerbebetriebe. So bewirtschaftete Heinrich Frederhausen eine Bäkkerei, der gleichzeitig ein Kolonialwarengeschäft angeschlossen war. Die Backwaren wurden zum Teil mit einem Bäckerwagen, der von einem Pferd gezogen wurde, an die Landkundschaft verkauft. Einen zweiten Lebensmittel- und Kurzwarenladen führte Heinrich Bürger.
Zu nennen wären noch die Schuhmacherwerkstatt von Heinrich Elbrecht und die Peitschenstockmacherei, als Nebenerwerb von der alteingesessenen Familie Rümenap betrieben.
Auch zwei Gaststätten waren im Ort vorhanden. Die Gaststätte 'Zum Deutschen Haus' wurde von Familie Hennecke geführt. Sie wurde jeweils vom Vater auf den Sohn vererbt. Die zweite Gastwirtschaft 'Zur Linde' wechselte des öfteren den Besitzer. In den Gaststätten spielte sich das dörfliche Vereinsleben ab.
Zu den Festen, die auf den Sälen der Gastwirtschaften im Ort stattfanden, zählten die Stiftungsfeiern der Vereine und die Kirmes, die jedes Jahr - mit Ausnahme der Kriegszeiten - im Oktober gefeiert wurde.
Als einer der ältesten Vereine gilt der Gesangverein, der 1884 als Männergesangverein gegründet wurde. Während der Kriegsjahre 1914-1918 und in den Jahren des 2.Weltkrieges ruhte die Vereinsarbeit. Unter Lehrer Egbert Sagasser als Dirigent und Hans Schlegel als Vereinsvorsitzendem wurde der Verein in den fünfziger Jahren als gemischter Chor weitergeführt. Der Gesangverein ist bis weit über die Grenzen hinaus bekannt geworden dank seines oben genannten Dirigenten. Zu kirchlichen Veranstaltungen sowie zur Ausschmückung von Weihnachtsfeiern und auch bei der Gestaltung der alljährlichen Feier am Ehrenmal ist er mit musikalischen Darbietungen vertreten.
In früheren Jahren existierte auch der Radfahrerverein "Schwalbe", wie das viele Fotos früherer Jahre beweisen. Er ist jedoch in den dreißiger Jahren aufgelöst worden.
Am 24.2.1934 versammelte sich in der Schule die männliche Bevölkerung aus Settmarshausen, um durch die Gründung einer freiwilligen Feuerwehr eine bestehende Pflichtfeuerwehr abzulösen. Man kam bei der Gründung zu der Erkenntnis, daß man durchaus in der Lage sei, den Feuerschutz der Gemeinden Settmarshausen und Klein Wiershausen zu gewährleisten. Am 8.4.1945 kam die Wehr erstmals zum Einsatz. Durch den Beschuß durch einrückende amerikanische Soldaten brannte es gleichzeitig an fünf Gebäuden. Außerdem wurden Löscharbeiten nötig an einem Gebäude in Kl. Wiershausen sowie am Herrenhaus in Olenhusen.
Unter primitivsten Bedingungen mußten die Löscharbeiten mit einer Handdruckspritze ausgeführt werden. Heute ist die Wehr mit einem modernen Löschfahrzeug ausgerüstet. Hoch im Kurs steht im Verein die Pflege der Kameradschaft.
Einer der großen Vereine in der dörflichen Gemeinschaft ist der Turn- und Sportverein. Am 4.4.1946 wurde er durch die Initiative einiger Sportkameraden gegründet. Der Sportbetrieb begann mit einer Herren- und einer Jugendfußballmannschaft sowie einer Damenhandballmannschaft. Als vorläufige Übungs- und Sportstätten standen der "Dreisch" und der "Brasigsche Saal" zur Verfügung. Die Damenhandballmannschaft löste sich bald wieder auf. Heute besitzt der Verein eine Sporthalle und zwei Sportplätze. Außer Fußball wird Volleyball, Tischtennis, Gymnastik und Kinderturnen angeboten.
Von 1955-58 war die neu gegründete Schützengruppe eine Sparte des Sportvereins. Am 24.1.58 spaltete sich die Gruppe ab und gründete den Schützenverein "Gut Schuß". 1969 wurde beschlossen, das Schützenhaus, daß sich in einem Steinbruch der Realgemeinde zwischen Settmarshausen und Olenhusen befand, zu erweitern. Mit einem stattlichen Anbau wurde der Beschluß in die Tat umgesetzt. Am 31.5.73 konnte die Einweihung vorgenommen werden. Im Vordergrund steht neben der Ausübung des Schießsports die Pflege der Geselligkeit.
Als kleinerer Verein ist der DRK-Ortsverein zu nennen. Jeder Helfer des Unterkunftzuges, der sich 1970 etabliert hatte, mußte die Ausbildung zum Sanitäter durchlaufen. Der Zug beteiligte sich an Sportveranstaltungen und Gemeindefesten. Seit etlichen Jahren haben es sich Frau Lina Nitsche und ihr Team zur Aufgabe gemacht, Altennachmittage und Ausfahrten zu organisieren. Neuerdings hat sich auch eine Senioren-Volkstanzgruppe gebildet, die sicherlich nach einer gewissen Anlauf- und Übungszeit die dörflichen Festlichkeiten mit ihren Auftritten verschönern wird.
Aus dem früheren Kriegerverein ,der von zurückgekehrten Kriegsteilnehmern des 1.Weltkrieges gegründet wurde, ist der Kyffhäuserbund hervorgegangen. Der Verein richtet die alljährliche Feier am Ehrenmal aus, dessen Pflege er auch übernommen hat. Ansonsten wird die Pflege der Kameradschaft groß geschrieben.
Der Junggesellenverein wurde 1910 gegründet. Die Aktivitäten ruhten während der Kriegszeiten und wurden nach dem 2. Weltkrieg für einige Jahre wieder aufgenommen.
Als letzer sei noch der Polizeihundeverein PHV genannt. Er bildet auf einem vereinseigenen Grundstück Hunde aus. Die Geselligkeit kommt auch hier nicht zu kurz.
Zwei Schulen mit je zwei Klassen, die auch von Kindern aus Klein Wiershausen und vom Rischenkrug besucht werden mußten, sowie eine Pfarrstelle prägten schon von altersher das Ortsbild. Zur Pfarrstelle gehörten außer Settmarshausen die Orte Klein Wiershausen, Groß Ellershausen und Hetjershausen. Die Konfirmanden dieser Orte mußten bis zur Eingemeindung nach Rosdorf im Jahre 1972 die Pfarre in Settmarshausen besuchen. Die Konfirmation fand in der hiesigen Kirche statt. Der Gottesdienst in Settmarshausen fand jeden Sonntag statt. Die Klein Wiershäuser Einwohnerschaft wurde in diesen Gottesdienst mit einbezogen. Hingegen wurde in den beiden anderen Gemeinden in umschichtigem sonntäglichen Rhythmus ein Gottesdienst angeboten. Der Pfarrer legte die Wege mit dem Fahrrad zurück. Vor dessen Erfindung war das immer ein anstrengender Fußmarsch. Nach der Eingemeindung gehörten die Ortschaften Mengershausen, Lemshausen und Klein Wiershausen zum Kirchspiel.
Ganz wichtig für die Ortschaft war die Poststelle. Halterin war seit den 30er Jahren Familie Henneke. Vorher kam ein Postbote täglich zu Fuß aus Dransfeld. Die Stelle ist bis auf den heutigen Tag auf dem Hennekeschen Grundstück untergebracht. Das Postauto diente früher offiziell als Personenbeförderungsfahrzeug nach Göttingen. 2 bis 3 Personen fanden im Postauto Platz und wurden gegen Entgelt befördert.
Die Gemeinde Settmarshausen war bis zur Eingemeindung nach Rosdorf 1972 politisch eine selbständige Kommune, die ehrenamtlich verwaltet wurde.
Politische Parteien spielten bis 1972 nur eine untergeordnete Rolle, mit einer Ausnahme. Bedingt durch den Zuzug der Flüchtlinge hatte sich kurzzeitig der BdV (Bund der Vertriebenen) etabliert. Nachdem sich viele Flüchtlinge im Neubaugebiet Eigentum geschaffen hatten, verschwand die Partei wieder aus der politischen Landschaft. Vielleicht noch erwähnenswert, daß sich die Landwirte und Hauseigentümer im Altdorf einen eigenen Verband schufen, in dem sie ihre Interessen vertreten sahen. Der Realgemeindeverband besteht bis zum heutige Tage.
Irmgard Bergmann
geb.Rümenap
Arbeitsplatz Rittergut Olenhusen
Das Rittergut Olenhusen war seit jeher ein Ortsteil von Settmarshausen. Es bot in den Vorkriegsjahren vielen Settmarshäuser Familien einen Arbeitsplatz. Zum Teil wohnten die Familien, die auf dem Gut arbeiteten, in Deputatshäusern. Zwei solcher Häuser, in denen jeweils zwei Familien wohnten, gab es in Settmarshausen. Die Häuser wurden in den Nachkriegsjahren verkauft.
Die Männer arbeiteten meistens als Gespannführer. Ihre Löhne waren nicht sehr hoch. Deshalb bekamen sie als Deputat mietfreie Wohnung und dazu ein Stück Land vom Gut, welches sie eigens für sich bewirtschaften konnten. In der Erntezeit wurden auch die Frauen der Arbeiter mit eingestellt. Die Männer mähten mit der Sense das Getreide, und ihre Frauen mußten es hinter ihnen abnehmen und bündeln. Ansonsten sah man die Frauen oder Kinder mit Henkeltöpfen am Arm den Männern ihr Mittagessen bringen. Damit das Essen nicht kalt wurde, wurde eine Abkürzung benutzt, ein Weg zwischen Krugwiese und Luhbach entlang. Während die Männer ihr Mittagessen verzehrten, besprachen sie mit ihren Familien die Nöte des Alltags.
Im Juni jeden Jahres gab es für die Kinder aus Settmarshausen auch einen schönen Nebenverdienst. Da wurde in der Schule bekanntgemacht, daß Olenhusen Kinder zum Rübenverziehen brauche. Wer Lust und Zeit hatte, konnte sich nach der Schule um 12.30 Uhr auf dem Thie einfinden. Dort hielt dann ein Pferdewagen, der mit Sitzbrettern bestückt war. Die Kinder fuhren mit Gesang aus dem Dorf hinaus. Auf dem Rübenfeld angekommen, empfing ein Aufseher mit einer Hacke die Kinderschar. Sie mußten vor den Rübenreihen Aufstellung nehmen, ob sie eine oder zwei Reihen vornehmen wollten. Die größeren Kinder entschieden sich für zwei Reihen, dafür gab es 67 Pfennig pro Nachmittag. Die kleineren erhielten für eine Reihe 45 Pfennig. Die Reihen waren von Erwachsenen meistens in Akkordarbeit vorher bereits versetzt (verhackt) worden. Nun mußten die Pflänzchen verzogen werden, d.h. die größte Rübe eines Horstes (einer Gruppe) mußte immer stehen bleiben, während die übrigen weggezogen wurden. Der Aufseher folgte mit einigem Abstand den Kindern und kontrollierte die Arbeit. Da kam es auch schon mal vor, daß ein Kind zurückgeholt wurde, wenn statt einer Pflanze noch zwei stehengeblieben waren. Meistens war er aber human und bückte sich selber. Wer seine Reihen durchgezogen hatte, durfte sich am Feldrand ausruhen, bis alle durch waren. Dann begann das Ganze in entgegengesetzter Richtung. Um 18.00 Uhr war Feierabend. Dann wurden die Kinder wieder nach Hause gefahren.
Freitags war Zahltag. Da gab es auf dem Gut nach Feierabend das verdiente Wochengeld bar auf die Hand. Da Taschengeld zu der Zeit noch nicht üblich war, war die Freude bei den Kindern natürlich groß. Sie waren dementsprechend stolz, wenn sie das selbstverdiente Geld ihren Eltern zeigen konnten. Außer Schulutensilien, die dafür angeschafft werden mußten, blieb auch meistens noch etwas für Süßigkeiten übrig.
Irmgard Bergmann
geb.Rümenap
Amtliche Bekanntmachungen der Gemeinde Settmarshausen in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts
Zu meiner Kindheit Anfang der dreißiger Jahre gab es in der Gemeinde ja noch kein Gemeindeblatt, aus dem jeder Bürger alles Wissenswerte oder auch natürlich weniger Interessantes für sich erfahren konnte.
Dazumal war noch die Mund zu Mund Unterrichtung in. Wenn der Bürgermeister seinen Bürgern etwas mitteilen wollte, mußte zunächst die große Gemeindeglocke her. Eine der Töchter des damaligen Bürgermeisters August Pinne mußte mit dieser ziemlich schweren Glocke im Dorf auf und ab laufen und kundtun, daß der Bürgermeister etwas bekannt geben wollte. Wenn von den Mädchen gerades keines griffig war, wurde irgendein Junge dazu aufgefordert. Gegen ein Entgelt von ca. 10 Pfennig war das schon ein Geschäft. Die 10 Pfennig wurden dann sofort beim Kaufmann Fredershausen oder Bürger in Bolchen umgesetzt. "Für 10 Pfennig wo es die meisten von gibt". Nach diesem Klingelruf kam nun aus jedem Haus einer herbeigeeilt, der auch in der Lage war alles zu behalten, was es Neues gab, und alle versammelten sich auf dem Thie. Wir brauchten uns nur in die Haustür zu stellen, weil wir ganz nah am Thie wohnten. Das war schon sehr praktisch.
Nach geraumer Zeit, wenn die Glocke verstummt war und alle Zeit genug hatten am Platz zu sein, ergriff der Bürgermeister das Wort. "Nu hört mol alle tau". Dann kam so alles zur Sprache, was dem Bürgermeister am Herzen lag. Steuern sollten beim Gemeinderechnungsführer bezahlt werden, Wege wurden verpachtet, Apfel- oder Zwetschenbäume zur Ernte verkauft und so verschiedenes mehr. Am Ende aller Mitteilungen kam immer der Satz "Ssau wejjer was et nitz". Danach verlor sich der Haufen wieder in seine Behausungen. Manchmal war es so allerhand, was zu Hause dann auch richtig weitergegeben werden mußte.
Oft standen noch kleinere Gruppen längere Zeit zusammen, um auch private Neuigkeiten auszutauschen. Ob die Männer bei der Gelegenheit auch mal in der Kneipe hängengeblieben sind, habe ich in meinem Alter wohl nur noch nicht so beobachten können.
Dora Makowka
geb. Bürger
Schlachtefest
Ein wahres Fest war immer das Schlachtefest. Dazu wurde auch die Verwandtschaft eingeladen, zumindest zum Abendessen. Die Vorbereitungen begannen schon einen Tag vorher. Da mußten Schlachtetisch, Brühtrog und Mollen zusammengeholt werden. Nur wenige Familien besaßen diese Gegenstände. Sie wurden ausgeborgt. Gewürze und Därme mußten eingekauft und die Weißblechdosen beim Kaufmann mit einer Maschine, die nur er besaß, abgeschnitten werden. Auch die Flasche Korn gehörte zum Einkauf. Der Kessel im Backhaus wurde mit Wasser gefüllt, das meistens aus einem Dorfbrunnen herbeigeschafft werden mußte. Die Hausfrau stand dann morgens als erste auf und heizte schon mal beim Scheine einer Petroleumlampe den Wasserkessel ein. Gleichzeitig mußte sie Kaffee kochen. Wenn dann, sobald es hell wurde, der Schlachter kam, trank die ganze Familie erstmal Kaffee. Es gab meistens Luffen (Weißbrot) mit Zwetschgen- oder Birnenmus.
Nachdem das Schwein geschlachtet war, die Kinder mußten es am Schwanz festhalten (Scherz), stand die Hausfrau mit einem Eimer parat, um das Blut aufzufangen. Es mußte dann im Eimer ordentlich gerührt werden, damit es nicht klumpte. Nach dem Abbrühen des Schweines wurde es von 2-3 Männern mit Kratzglocken seiner Borsten entledigt. Wenn dann das Schwein am Haken hing wurde folgender Spruch gesprochen: "Sobald das Schwein am Haken hängt, wird erstmal einer eingeschenkt." Die Därme wurden dann im Brühtrog mit Salz und einem Reisigbesen gereinigt.
Mittlerweile hatte der Fleischbeschauer seine Arbeit getan. Es wurde nochmals ein Schnäpschen getrunken und man war froh, wenn der Fleischbeschauer keine Trichinen festgestellt hatte, was früher öfter vorkam. Nun konnte die Leber in der Küche zum Frühstück hergerichtet werden. Nach dem Frühstück begann das Würstemachen. Nachdem die Frau des Hauses noch einen Schinken und zwei Seiten Speck beim Schlachter bestellt hatte, mußte ein starker Mann ran, der das Fleisch durch die Wurstmaschine drehte. Das Wurstgut wurde in verschiedene Mollen aufgeteilt und in der Regel zu Mett-, Kopf-, Schwarten-, Rot-, Leber- und Weißwurst verarbeitet. Die Würste mußten vom Schlachter per Hand eingedrückt werden. Ein Mann mußte die Wurst binden. Für die Verwandtschaft wurde Pfannenwurst hergestellt, in die immer etwas Weißbrot eingemischt wurde, um die Menge etwas zu vergrößern. Die Kinder liefen den ganzen Nachmittag mit einer blutverzierten Wange herum.
Sie hatten sich vom Schlachter "eine Wurst anmessen" lassen.
Die anfallende Fleischbrühe wurde unter Verwandten und Nachbarn verteilt. Die Fleischknochen wurden eingesalzen und nach zwei Wochen am Haken aufgehängt. Zur Vesper wurde Gehacktes, Kesselfleisch und Sauerkraut verzehrt. Wenn alles soweit fertig war und die Wurst im Kessel brodelte, stand die Hausfrau mit Kelle und Schmalztopf bereit, um das Fett von der Wurstbrühe abzufüllen, es auszubraten und Schmalz herzustellen. Bevor das Abendessen begann, mußten alle Geräte, sowie Mollen und die kupferne Schlachtekelle gesäubert werden. Letztere wurde mit Sidol geputzt. Beim Abendessen war dann die ganze Verwandtschaft versammelt. Es gab Suppe mit Mettklößchen und als Nachtisch Kürbis. Zu der Essenszeit erschienen dann einige Verkleidete mit einem Korb und Henkeltopf. Sie übergaben einen Zettel, auf dem um eine milde Gabe gebeten wurde. Sie bekamen von der Hausfrau von allem etwas eingepackt. Am nächsten Tag wurden an die Nachbarskinder Weißwürste verteilt. Jedes Kind bekam eine kleine Wurst, die je nach Größe der Kinderschar der Familie zu einer Traube zusammengebunden waren.
Die Verwandtschaft wurde mit der zuvor angesprochenen Pfannenwurst und einer Weißwurst bedacht. Als letztes wurden die Wurstdosen, gut gefüllt, mit einer entsprechenden Maschine wieder verschlossen und gekocht.
Irmgard Bergmann
geb. Rümenap
Das Wäschewaschen vor dem Ersten Weltkrieg
Etwa alle zwei Monate wurde die Leibwäsche gewaschen. Da jedes Familienmitglied nur am Samstag jeder Woche die Wäsche gewechselt hat, gab es nicht so viel Wäsche, wie es heute der Fall ist. Der Zeitpunkt des Waschens wurde dann bestimmt, wenn ein Waschkessel voll war mit schmutzig gewordener Wäsche. Bestimmte Wochentage waren für diese Arbeit vorgesehen, im Sommer möglichst, wenn schönes Wetter angesagt war. Eine Nachbarin half dabei. Außer dem Vater waren die meisten Familienmitglieder mit zum Helfen engagiert.
Morgens früh wurde begonnen. Ein dreibeiniges Holzgestell war der Waschplatz. Waschmittel gab es nicht - das erste Waschmittel gab es erst nach dem 1.Weltkrieg, etwa 1920.
Eine Zinkwanne kam unter das Dreigestell. Auf das Dreigestell wurde ein aus Weide geflochtener Korb gestellt, ein Leinentuch hineingelegt, darüber ein Sack. Auf diese beiden Tuchschichten wurde Asche gefüllt, bis der Boden des Korbes ausgefüllt war. Der Waschkessel wurde mit Holz angeheizt. Wenn das Wasser darin kochte, wurde es mit einer Schöpfkelle entnommen und über die Asche im Weidenkorb gegeben. Dieser Vorgang wiederholte sich, bis die Wanne unter dem Dreigestell gefüllt war. Der Zweck war, das Wasser besonders weich zu bekommen. In dieses weiche Wasser wurde die Wäsche gelegt. In dem heißen Wasser wurde dann gewaschen, d.h. das Waschbrett wurde in die Wanne gestellt, die Wäschestücke einzeln über das Waschbrett gelegt, mit Kernseife eingerieben, ganz grob zusammengelegt und über das Waschbrett gerubbelt, bis es sauber war. Um dies festzustellen, wurde das Wäschestück in die Waschlauge getaucht und gerade herausgezogen. Wenn noch Flecken vorhanden waren, wiederholte sich der Arbeitsgang nochmals. Für diese Arbeit hatten wir eine Waschküche in Stallnähe. Zwei Tage waren zum Waschen vorgesehen. Nach dem Durchlaufen des Wassers zum Weichmachen mit Asche wurde die Wäsche ausgewrungen und auf der Bleiche - einem sauberen Rasenplatz - ausgebreitet, und von der Sonne ausgebleicht. Wenn ein Wäschestück trocken wurde, konnte man sehen, daß es mit Asche behandelt wurde, es war braun. Nun war meine Aufgabe, die Wäschestücke mit einer kleinen Gießkanne zu besprengen, d.h. sie wurden wieder naß gemacht. Die Wäsche blieb über Nacht auf der Bleiche. Am anderen Tag kam die Wäsche in den Waschkessel zurück und wurde ausgekocht und gespült. Beim Auswringen wurden bei großen Wäscheteilen wie Bettbezüge und Bettlaken zwei Personen benötigt. Die Arbeit war sehr anstrengend und schwer, nicht für Kinder zu bewerkstelligen.
Nach dem Sauberspülen wurde die Wäsche aufgehängt. Die Wäscheleine wurde zwar immer fest gespannt, aber in der Mitte hing sie meistens von der nassen Wäsche durch. Damit die gewaschenen Teile nun nicht auf die Erde schlugen, wurde eine Stange mit einer Gabelung angestellt, manchmal auch zwei, damit der Wind sie nicht umwarf. Besondere Wäschestücke wie Tischdecken oder gute Schürzen wurden eingesprengt und feucht gebügelt. In früheren Zeiten wurden die Stücke zusammengefaltet und es wurde sich daraufgesetzt. Ein Bügeleisen wie heute gab es nicht. Es gab Bügeleisen, die auf der heißen Herdplatte erwärmt wurden und solche, die mit heißer Kohle erwärmt wurden.
Die guten Wäschestücke, die meistens aus der Mitgift stammten, waren noch handgewebt und wurden in einem guten Wäscheschrank fein geordnet aufbewahrt. Bevor sie dorthin kamen, stellte man fest, ob die Wäsche noch heil war. Zerschlissene Teile wurden ersetzt in Form von säuberlich aufgenähten Flicken.
Ursula Harusta
Nach einem Interview mit Frau Lydia Oberdieck im Januar 1989 aufgezeichnet. Frau Oberdieck, die inzwischen verstorben ist, war zur Zeit des Interviews 90 Jahre alt.
Brauchtum
Bis in die fünfziger Jahre haben sich in Settmarshausen einige Bräuche erhalten:
Am Tag der Fastnacht versorgten sich morgens Männer des Ortes, vor allem die verheirateten, mit sogenannten Giffeln, das waren Stangen mit zwei Ästen, wie man sie früher unter die Wäscheleinen stellte. Damit zogen sie von Haus zu Haus und baten, vor allen bei den Landwirten, um Wurst und Eier. So gegen Mittag, wenn alle Höfe abgeklappert waren, ließen sie sich mit ihrem "Gesammelten" in der Gastwirtschaft nieder. Da wurde dann ein kräftiges Mahl eingenommen, welches sich den ganzen Tag hinzog. Natürlich wurde auch tüchtig dazu gebechert. Die Frauen waren von dieser Veranstaltung ausgeschlossen.
Am Abend des ersten Ostertages wurde ein Feuer entzündet. Dafür hatten am Ostersonnabend Jugendliche mit einem eigens dafür hergerichteten Wagen Holz eingesammelt. An der Deichsel des Wagens war ein langes Seil angebracht, das in Abständen mit Knüppeln verknotet war, so daß immer zwei Jungen einen Knüppel fassen konnten, um so den Wagen zu ziehen. Die Dorfbewohner waren auf diese Zeremonie vorbereitet und hatten vorsorglich Reisigwellen (Bündel) vor ihre Grundstücke gelegt. Mit Hallo und Gesang setzte sich die Kolonne in Bewegung. Dabei wurde dann das Lied gesungen: "Ene dicke chrote Welle taun Poschefeuere. Ene, twa, dra, veere, fiewe, ssesse, semte, achte, neejen, tane möt et ssien, ssüsst könnt we nech mehr lustich ssien. Poooschwellen!" Dabei fuhren sie dann von Grundstück zu Grundstück und sammelten die "Wellen" ein.
Im Laufe der Zeit wechselte die Stelle, an der das Osterfeuer abgebrannt wurde, mehrmals. Mit fortschreitender Bebauung der Ortschaft mußte jeweils die Brennstelle des Osterfeuers weichen. Früher befand sie sich in der "Oskuhle", dort wurde auch Abfall abgeladen. Mit dem Bau der "Alten Heerstraße" und des Maschinenschuppens kam das "Aus" für das Osterfeuer. Es wurde auf eine Stelle unterhalb des Sportplatzes verlagert, bis auch hier Häuser entstanden. Heute ist der Platz dafür südlich des Dorfes am "Münderstieg". Es besteht die Aussicht, daß es dort vorläufig verbleiben kann.
Nun zurück zu früheren Zeiten. Am Ostersonnabend, wenn die Dämmerung einbrach, sah man scharenweise Familien, die Kinder mit Lampions, in Richtung Osterfeuer wandern. Ich kann sagen, das ganze Dorf war auf den Beinen. Um das Feuer war ein dichter Kranz von Menschen geschlossen. Die Frauen stimmten Frühlingslieder an. Einige stellten sich auch mit dem Rücken zum Feuer, um ihren "Puckel" zu wärmen, damit er im Sommer bei der Feldarbeit nicht weh tat. Auch bei allen umliegenden Ortschaften loderten die Feuer, so daß ein stimmungsvolles Bild entstand. Wenn das Feuer ziemlich heruntergebrannt war, versuchten die Kinder und Jugendlichen über die Glut springen. Grillwürstchen und Getränke gab es zu der Zeit noch nicht.
Zu Pfingsten gab es noch einen Brauch unter den Jugendlichen und Verliebten des Dorfes. Wenn jemand von den Burschen ein Mädchen gern hatte, so stellte er ihm zum Pfingstmorgen einen "Maibaum" (kleine Birke) unters Fenster. Hatte sich jemand mit seiner Liebsten verkracht, dann fand sie am Pfingstmorgen einen Dornenbusch. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß das immer ein spannender Augenblick war. War es ein Maibaum, blieb er demonstrativ stehen, aber ein Dornenbusch wurde schleunigst weggeräumt.
Der Brauch ,zur Kirmes einen Festzug mit verschiedenen Wagen und Gruppen aufzustellen, hat sich ja bis heute erhalten.
Im Winter, zur Schlachtezeit, war es Brauch, daß jemand, der ein Schwein schlachtete, damit rechnen konnte, daß zur Vesperzeit eine Gruppe Verkleideter kam. Sie brachten vorsorglich Teller und eine Milchkanne mit und baten um eine milde Gabe für die hungernden Familienmitglieder. Sie übergaben einen Zettel, auf dem das alles geschrieben stand. Die Hausfrau füllte ihnen Schlachtesuppe in die Kanne und füllte ihre Teller mit Mett und Kesselfleisch. Nachdem sich die Gruppe artig bedankt hatte, zog sie in die Gastwirtschaft, um so auf ihre Weise Schlachtefest zu feiern. Derweil beratschlagten und rätselten die Familienmitglieder zu Hause, wer wohl alles zu den "Utjekleeten" gehört hatte.
Am Silvestermorgen gab es das "Umringen". Da zogen schon am frühen Morgen kleine Kolonnen von Kindern mit selbstgenähten Beuteln los, um von Haus zu Haus zu gehen zum "Ümmesingen". Dabei wurde dann zuerst immer der Vers "Olet Johr, nejet Johr" gesungen. Dann folgte "Schlöttel upn Dieke". Das dritte Lied wurde hochdeutsch gesungen: "Ich bin ein kleiner König". Wenn sich dann immer noch nichts tat, folgte der Vers "Witten Tweern, schwatten Tweern". Meistens aber erschien die Frau des Hauses, um Äpfel, Süßigkeiten und Kekse zu verteilen. Das wurde alles in den Beutel getan. Manchmal gab es auch Pfennige, die wurden dann gleich beim Kaufmann in Bolchen umgesetzt. Seit dem Entstehen der Siedlung gibt es diesen Brauch nicht mehr. An seine Stelle trat das Martinssingen.
Um seine Warzen loszuwerden, mußte man ein Begräbnis abwarten. Wenn beim Leichenzug auf dem Weg zum Friedhof der Leichenwagen an der Stelle war, wo die Beeke unter der Straße zur Mühle floß, benetzte man unter der Brücke die Warzen mit Beekewasser und sprach dazu:
Et lütt den Dooten in ssiea Chraw,
eck wasche mieae Liedörn* aw.
* Leichdorn
Irmgard Bergmann
geb. Rümenap
Verse zu Silvester (Umsingen)
Olt Joahr, nejjet Joahr,
moket mienn Bühl schwoar
met Äppeln un met Beern,
da willt we chaut verteern.
Obere in de Höchte
hänget dicke Wöste,
de klaanen lotet hängen
de dicken chewet meck.
Slötel upn Dieke,
... - Tante is ssau rieke,
... - Tante is ssau hübsch un chlatt,
eck chlöwe, se scheaket weck ook emol wat.
Ich bin ein kleiner König,
gebt mir nicht so wenig,
einen kleinen Silberling,
der in meinem Beutel klingt
Hatten sie bis dahin nichts bekommen, sangen die Kinder:
Witten Tweern, schwatten Tweern,
chiezije Luije chewet nech chern
Vorliegender Text entstand aus der Arbeit eines Kurses der Kreisvolkshochschule Göttingen unter der Leitung von Ingrid Balles. Nachdem außer den planmäßigen Zusammenkünften von einigen Teilnehmern erheblich viel Arbeit, Zeit und Kosten aufgewendet worden waren, wurde uns klar, daß die Ergebnisse es wert sind, in einem "richtigen" Buch zusammengefaßt zu werden.
Unser Anliegen war, überwiegend solche Erlebnisse und Eindrücke festzuhalten, die die Chronik der Gemeinde nicht verzeichnet. Möglich wurde diese Form der Veröffentlichung erst durch die finanzielle Unterstützung der Gemeinde Rosdorf, des Ortsrates Settmarshausen, der Sparkasse Göttingen und der Raiffeisenbank Rosdorf, denen unser Dank gilt.
An dieser Stelle danken wir auch allen Einwohnern, die durch ihre Erinnerungen und die Bereitstellung vieler Bilder das Gelingen des Vorhabens ermöglichten.
Für die fotografischen Arbeiten zeichnet Ortsheimatpfleger Walter Kirchhoff verantwortlich.
Für die Arbeitsgruppe: Gisela Ilse
November 1992
Settmarshausen war ein kleines und sehr armes Dorf. Die kargen Ackerböden erbrachten nur geringe Ernteerträge, so daß die Bauern auch noch anderen Beschäftigungen nachgehen mußten.
In der Chronik berichtet man über Settmarshausen, daß dort im Jahr 1585 vier Ackersleute, 21 Kötner, 1 Bettler und 2 Häuslinge wohnten, was besagt, daß 86% der dort wohnenden Familien kaum das Existenzminimum besaßen. Diese ungünstige soziale Lage sollte das Dorf bis ins 19. Jahrhundert behalten.
In ersten Jahr des Weltkrieges 1914-18 wurde im Dorf mit der Elektrifizierung begonnen, aber erst 1920 gab es den ersten Strom in den Häusern, und schon 1931/32 mußte die ganze Leitung wegen unbrauchbaren Materials wieder erneuert werden.
Durch Wilhelm Köthe kam Settmarshausen zu dem historischen Datum, daß hier am 13. Mai 1925 einer der ersten Radioapparate des Landkreises aufgestellt wurde.
Während der Amtszeit des Bürgermeisters Otto Bergmann entstand 1960 nördlich oberhalb des Altdorfes eine neue Siedlung.
Mit zunehmender Einwohnerzahl wurde 1961 eine Ringwasserleitung gebaut und 1964/65 die Schmutzwasserkanalisation verlegt.
Bereits 1901 genehmigte der damalige Rat der Gemeinde den Bau einer privaten Wasserleitung, die vom Gemeindebrunnen bei Hartmanns Grundstück bis zum Haus Nr. 4 (jetzt Herbert Warnecke) führte.
Die Beeke, die bis 1975 als offener Bach durch das Dorf floß, wurde 1901 für 1350 Mark als Wassergraben mit Steinen ausgemauert und 1975/76 beim Ausbau der Dorfstraße in Rohre unter dem jetzigen Fußweg verlegt. Die Alte Dorfstraße wurde 1975/76 ausgebaut und um mehrere Meter verbreitert. Dazu mußte der Schuppen von Friedel Grube (vorher Henneke-Pasche) abgerissen werden und einige Vorgärten mußten weichen.
Der Bauernhof von August Häger mußte ebenfalls abgerissen werden. Diese Fläche ist heute die Einfahrt zum Schmiedeweg und Gatzenberg.
1964/65 begann man, den Thie neu zu gestalten. Die alten Linden wurden abgeholzt und der verkleinerte Thie mit einer neuen mauer eingefaßt, mit jungen Linden bepflanzt, und es wurde eine Sitzbank aufgestellt. Der Thie hat heute leider seinen ursprünglichen Charakter verloren.
Vor 50 Jahren, zu Beginn des 2.Weltkrieges, hatte Settmarshausen 378 Einwohner; heute sind es rund 1000 Einwohner. Nach der Gebietsreform schloß sich Settmarshausen 1972 als erster Ort der Gemeinde Rosdorf an.
Walter Kirchhoff
Das Peitschenstockmacherhandwerk
In Settmarshausen gingen August Rümenap und sein Sohn Karl Anfang des 20. Jahrhunderts einem überkommenen Handwerk nach. Schon die vorherige Generation übte den Beruf des Peitschenstockmachers aus. Von diesem Handwerk soll hier die Rede sein. Die Peitschenstöcke, die ausschließlich im Harz vertrieben wurden, nannten sich Harzer Peitschen.
Nach dem Verlust des Laubes wurden die Bäume - Feldahorn, genannt Epelteern - im Leinebusch sowie im Varmisser und Klein-.Wiershäuser Wald geschlagen, mit einem Kuhgespann abgefahren und in der Scheune gelagert. Diese Nebenerwerbstätigkeit wurde hauptsächlich im Winter und bei schlechtem Wetter betrieben.
Eine Werkstatt war nicht vorhanden. Dafür wurde die Küche, die verhältnismäßig groß war, zur Hälfte als Werkstatt genutzt. In ihr befand sich eine sogenannte Ziehbank (Tögebank). Der Baumstamm wurde mit einem Keil in entsprechende Vierkanthölzer gespalten. Nachdem das Holz auf Länge gestutzt war, wurde es weiterhin mit dem Keil bearbeitet. Oberhalb des Griffes, der später rund geschnitzt wurde, wurde das Holz in vier Ruten geteilt. Auf der Ziehbank wurden die Ruten mit dem Ziehmesser (Tögemesser) glatt gezogen und anschließend mit einem Schnitzmesser rund geschnitzt. Wenn ein Vorrat von ca. 30 Stöcken geschafft war, kamen sie in einem Kessel mit kochendem Wasser. Dort mußten sie eine Zeitlang ziehen, damit das Holz geschmeidig und weich wurde. Im Backhaus stand ein Ständer (Tremper), in dem sich ein Loch befand. Darin wurde der Stockgriff verkeilt. Nun mußten Vater und Sohn jeweils zwei Stränge drehen, die dann nochmals zu einem Strang verflochten wurden. Zum Schluß wurden die Peitschen durch eine Presse gedreht, so daß sie schön gleichmäßig aussahen.
In Sackleinwand verpackt wurden sie per Post an die Kunden verschickt. Zur Adressierung an die Kunden ist noch erwähnenswert, daß die Postadresse auf der Rückseite mit einem Brei aus Mehl und Wasser bestrichen wurde. Ein direkter Verkauf an die Kundschaft fand ebenfalls statt. Herr Georg (Schorse) Jordan fungierte als Reisender in Sachen Peitschenstöcke. Er reiste mit einem Bestand an Waren direkt zu den Kunden in den Harz und verdiente sich so noch ein Zubrot zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb. Seit dem Ableben des August Rümenap im Jahre 1943 existiert das Peitschenstockmacherhandwerk nicht mehr.
Irmgard Bergmann
geb.Rümenap
Dorfladen
Das Haus "Alte Dorfstraße 22" wurde im Jahr 1897 aus dem Abriß der alten Schule von Justus Werder, dem Großvater von August Häger sen. neu aufgebaut.
Um das Jahr 1902 baute ein Herr Lobert an dieses Haus einen Laden an(siehe Bild). Der Ausbau der oberen Etage im Wohnhaus erfolgte mit primitiven Mitteln. So baute man den Fußboden aus Waschpulverkisten, denn Holzverpackung war zu der Zeit der billigste Baustoff. Die Balken des Obergeschosses waren nicht bearbeitet, sie wurden nur entrindet und rauh eingebaut. Große "Jesusnägel" schlug man in die Balken auf beiden Seiten ein; an diesen hingen Holzpantinen, die verkauft werden sollten. Als Schuhersatz für die teuren Lederschuhe fanden sie guten Absatz.
Das Haus mit Laden kam dann an Willi Köthe, von ihm ging es nach dem 1.Weltkrieg an Heinrich Bürger über.
In dem strengen Winter 1928 fror der Ladenanbau hoch, dicke Risse zierten das Mauerwerk, die Eingangstür ging nicht mehr auf. Bürgers rissen den Laden ab und errichteten stattdessen einen doppelgeschossigen Anbau mit Laden im Erdgeschoß. Bis 1963 befanden sich der Laden und das Haus im Familienbesitz, letzter Eigentümer war Walter Schwarz. Heute ist das Gebäude das Wohnhaus von Erich Rümenap.
In den Jahren vor dem 1.Weltkrieg bestand das Warenangebot in der Hauptsache aus Kurzwaren wie Nadeln, Knöpfen, Bändern, Garnen, Nägeln, Holzpantinen und Kolonialwaren wie Reis, Gewürzen, Zucker, Öl, Essig, Salz, Kaffee und Harzkäse - andere Käsesorten kannte man nicht. Aber auch Waschpulver, Petroleum und Heringe, also alles Artikel, die nicht selbst hergestellt werden konnten, standen im Angebot.
Die Anlieferung dieser Waren besorgte ein Großhändler, die Fa. Henjes und Beißner aus Göttingen, bis in die 30iger Jahre mit Pferden und Planwagen. In den Jahren 1934-1935 tauchten dann einmal im Monat die ersten Lastwagen auf. Bei solchen Lieferungen schleppten die Fahrer z.B. 100-Kilo-Zuckersäcke auf dem Rücken in das Haus. Nudeln gab es lose in Kartons, Salz in Jutesäcken und Margarine lose in Holzwannen, die zum Waschen von kleiner Wäsche als Holzzuber bei den Kunden begehrt waren. Waschpulver lieferte der Grossist in großen Holzkisten, darin lagen dann die fertig abgepackten Päckchen. Erst später bestand das Verpackungsmaterial aus stabilen Pappkartons mit Deckel. Heringe wurden zu 800 oder 400 Stück in Holzfässern geliefert. Die leeren Fässer fanden immer Weiterverwendung bei den Kunden.
Die Settmarshäuser waren in vielen Dingen Selbstversorger. Sie hatten Landwirtschaft, einen Garten, arbeiteten in Olenhusen oder die Frauen gingen im Taglohn zu den Bauern. Aus diesem Grunde gaben die Kunden für Grundnahrungsmittel nie viel Geld aus. Sie kauften das Notwendigste. Wenn mal viel Arbeit anfiel, holte man vom Kaufmann Heringe, die mit gekochten "Pellmännern" und einer Gurke ein Abendessen ausmachten.
Einige Kunden bezahlten ihren Einkauf mit Eiern, die Bürgers während der Woche sammelten und dann vom Landwirt Theodor Akkerhans mit einer Kiepe abholen ließen; er brachte die Eier mit einem Pferdewagen nach Göttingen, dort belieferte er damit Bäckereien, Hotels, Mittagstische.
Ein Dorfkaufmann mußte auch Glaubersalz gegen Verstopfung bei Schweinen oder Kupfervitriol zum Behandeln der Weizensaat (Schutz gegen Mäuse) führen.
Kleine Kunden kamen oft in den Laden, sie besaßen meistens nur einen Pfennig, dafür wollten sie "Bolchen, wo es die meisten von gibt."
Speiseöl kam in Zinkkannen oder in 200-LiterFässern in das Geschäft. Aus diesen Behältnissen pumpte der Kaufmann im Keller das Öl in eine Kanne. Den Inhalt kippte er im Laden in ein viereckiges Ölfaß, an dessen Vorderseite ein Meßglas angebracht war.
Man öffnete den oberen Hebel des Meßglases und ließ die gewünschte Menge Öl einlaufen. Nun wurde eine vom Kunden mitgebrachte Flasche an den unteren Auslauf gehalten und der untere Hebel geöffnet; das Öl floß in die Flasche: eine umweltfreundliche Verkaufsmethode, die längst vergessen ist.
Zur Schlachtezeit erfuhr das Sortiment eine Erweiterung. Die Kunden brauchten Därme, Blasen, Gewürze, Wurstspeile und Bänder. Außerdem besaß der Kaufmann eine Dosenmaschine, mit der er Dosen abschneiden und verschließen konnte.
Im Gegensatz zu heute tätigten die Kunden keinen Wocheneinkauf, sie holten das, was sie gerade brauchten, auch wenn sie dann mehrmals am Tag kamen.
Ein oft notwendiges Mittel für das Bezahlen war das "Anschreiben". Hierbei schrieb der Kaufmann in einem "Anschreibebuch" alle Beträge auf, die dann von den Familien nach ihrer finanziellen Möglichkeit bezahlt wurden. Nach dem Kriege verlor diese Art der Bezahlung allmählich an Bedeutung.
Im Zuge der einsetzenden Motorisierung fanden nun mehr und mehr Settmarshäuser in Göttingen und Umgebung Arbeit. Sie verdienten Geld und konnten das Warenangebot der Stadt Göttingen problemlos nutzen. 1963 wurde der alte Dorfladen geschlossen. Er war viel zu klein geworden und konnte nur noch ein unzureichendes Warenangebot bieten. Die Familie Schwarz eröffnete auf der gegenüberliegenden Seite, Osterbergstr. 2, ein neues Geschäft.
Einkaufsgewohnheiten
Es war in früheren Jahren noch nicht üblich, daß die Bauern, die eine kleine Landwirtschaft ihr eigen nannten, nebenbei als Pendler etwas dazuverdienten. Das hieß für die Hausfrau "einteilen und auskommen". Also wurden ab Hof Butter, Milch und Eier verkauft. Für den Erlös konnten dann die Einkäufe beim örtlichen Kaufmann getätigt werden. Später wurde die Milch in die Molkerei nach Göttingen geliefert. Das Milchgeld, das jeweils am 15. eines jeden Monats ausgezahlt wurde, diente als Einkaufsgeld für die Hausfrau. In vielen Familien wurde ein Einkaufsbuch geführt, auf welches den ganzen Monat eingekauft wurde. Man nannte das "Anschreiben". Sobald das Milchgeld eingegangen war, wurde die Schuld beglichen.
Der Broteinkauf wurde folgendermaßen geregelt: Roggen wurde zur Mühle nach Rosdorf gebracht. Dafür gab es dann eine bestimmte Menge Mehl. Dieses bekam der hiesige Bäcker, bei dem man dafür Brot kaufen konnte. Die Anzahl der Brote wurde in ein Büchlein eingetragen, und so konnte man sie je nach Gebrauch abholen. Es mußte aber ein Backgeld entrichtet werden. Viele Frauen buken ihr Brot allerdings auch im eigenen Backofen.
Weizen wurde ebenfalls in der Mühle gegen Mehl getauscht. Dieses wurde in einer Vorratskammer aufbewahrt. Das Mehl - es mußte allerdings oft vor Mäusen geschützt werden - wurde dann zum Backen von großen Blechkuchen (Ploatenkuchen) und Weißbrot (Luffen) verwandt. In früherer Zeit buken die Hausfrauen im eigenen Backofen oder beim Nachbarn ihre Backwaren ab, später wurden sie beim Bäcker gebacken.
Zu einem Einkauf größeren Ausmaßes, dazu zählte Kleidung usw., gingen die Frauen zu Fuß mit einer Kiepe auf dem Rücken nach Göttingen.
Außerdem kamen verschiedene Handelsleute mit Textilien und Kurzwaren an bestimmten
Tagen der Woche ins Haus. Hier konnte auch auf Abzahlung eingekauft werden.
Irmgard Bergmann
geb. Rümenap
Gemeindestruktur Altdorf
Um die Jahrhundertwende und bis weit hinein in die Nachkriegszeit war Settmarshausen hauptsächlich landwirtschaftlich strukturiert. Es waren aber auch kleinere Wirtschaften, die größtenteils auf einen Nebenerwerb angewiesen waren. Es gab einige Pferde- und Ochsengespanne, die meisten Landwirte mußten aber ihre Äcker mit Kuhgespannen bestellen. Zu Nebenerwerbstätigkeiten dienten die Wälder rings um die Ortschaften. Während der Winterzeit konnten die Landwirte beim Holzeinschlag ihren dringend notwendigen Lohn verdienen. Der Ertrag der Feldfrüchte war auf dem kargen, steinhaltigen Boden nicht groß. Erst mit der Erfindung des Kunstdüngers änderte sich diese Situation, Mit dem Verdienst des Nebenerwerbs mußten mitunter auch die anfallenden Düngerrechnungen bezahlt werden.
Eine größere Anzahl der Einwohner fand auf dem Gut Olenhusen oder in Göttingen, und da größtenteils bei der Eisenbahn, eine Anstellung. Die Wege zur Arbeitsstätte wurden durchweg zu Fuß, später auch mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ein Busverkehr wurde erst nach der Währungsreform eingerichtet. Bleibt zu erwähnen, daß es viele Kleinlandwirte gab, die ein bis drei Morgen Land ihr eigen nannten. Da sie nicht die Möglichkeit hatten, es selbst zu bewirtschaften, wurde dies von größeren Betrieb übernommen. Der Arbeitsaufwand wurde abgegolten, indem die Betreffenden bei Bedarf, z.B. beim Rübenhacken oder Kartoffelroden eingesetzt wurden. Von ihren landwirtschaftlichen Erträgen konnten sie sich dann ein Schlachteschwein füttern sowie Ziegen, Gänse und Hühner halten, so daß die Grundnahrungsmittel wie Fleisch, Wurst, Milch, Eier und Kartoffeln schon mal vorhanden waren.
Es gab auch einige Gewerbebetriebe. So bewirtschaftete Heinrich Frederhausen eine Bäkkerei, der gleichzeitig ein Kolonialwarengeschäft angeschlossen war. Die Backwaren wurden zum Teil mit einem Bäckerwagen, der von einem Pferd gezogen wurde, an die Landkundschaft verkauft. Einen zweiten Lebensmittel- und Kurzwarenladen führte Heinrich Bürger.
Zu nennen wären noch die Schuhmacherwerkstatt von Heinrich Elbrecht und die Peitschenstockmacherei, als Nebenerwerb von der alteingesessenen Familie Rümenap betrieben.
Auch zwei Gaststätten waren im Ort vorhanden. Die Gaststätte 'Zum Deutschen Haus' wurde von Familie Hennecke geführt. Sie wurde jeweils vom Vater auf den Sohn vererbt. Die zweite Gastwirtschaft 'Zur Linde' wechselte des öfteren den Besitzer. In den Gaststätten spielte sich das dörfliche Vereinsleben ab.
Zu den Festen, die auf den Sälen der Gastwirtschaften im Ort stattfanden, zählten die Stiftungsfeiern der Vereine und die Kirmes, die jedes Jahr - mit Ausnahme der Kriegszeiten - im Oktober gefeiert wurde.
Als einer der ältesten Vereine gilt der Gesangverein, der 1884 als Männergesangverein gegründet wurde. Während der Kriegsjahre 1914-1918 und in den Jahren des 2.Weltkrieges ruhte die Vereinsarbeit. Unter Lehrer Egbert Sagasser als Dirigent und Hans Schlegel als Vereinsvorsitzendem wurde der Verein in den fünfziger Jahren als gemischter Chor weitergeführt. Der Gesangverein ist bis weit über die Grenzen hinaus bekannt geworden dank seines oben genannten Dirigenten. Zu kirchlichen Veranstaltungen sowie zur Ausschmückung von Weihnachtsfeiern und auch bei der Gestaltung der alljährlichen Feier am Ehrenmal ist er mit musikalischen Darbietungen vertreten.
In früheren Jahren existierte auch der Radfahrerverein "Schwalbe", wie das viele Fotos früherer Jahre beweisen. Er ist jedoch in den dreißiger Jahren aufgelöst worden.
Am 24.2.1934 versammelte sich in der Schule die männliche Bevölkerung aus Settmarshausen, um durch die Gründung einer freiwilligen Feuerwehr eine bestehende Pflichtfeuerwehr abzulösen. Man kam bei der Gründung zu der Erkenntnis, daß man durchaus in der Lage sei, den Feuerschutz der Gemeinden Settmarshausen und Klein Wiershausen zu gewährleisten. Am 8.4.1945 kam die Wehr erstmals zum Einsatz. Durch den Beschuß durch einrückende amerikanische Soldaten brannte es gleichzeitig an fünf Gebäuden. Außerdem wurden Löscharbeiten nötig an einem Gebäude in Kl. Wiershausen sowie am Herrenhaus in Olenhusen.
Unter primitivsten Bedingungen mußten die Löscharbeiten mit einer Handdruckspritze ausgeführt werden. Heute ist die Wehr mit einem modernen Löschfahrzeug ausgerüstet. Hoch im Kurs steht im Verein die Pflege der Kameradschaft.
Einer der großen Vereine in der dörflichen Gemeinschaft ist der Turn- und Sportverein. Am 4.4.1946 wurde er durch die Initiative einiger Sportkameraden gegründet. Der Sportbetrieb begann mit einer Herren- und einer Jugendfußballmannschaft sowie einer Damenhandballmannschaft. Als vorläufige Übungs- und Sportstätten standen der "Dreisch" und der "Brasigsche Saal" zur Verfügung. Die Damenhandballmannschaft löste sich bald wieder auf. Heute besitzt der Verein eine Sporthalle und zwei Sportplätze. Außer Fußball wird Volleyball, Tischtennis, Gymnastik und Kinderturnen angeboten.
Von 1955-58 war die neu gegründete Schützengruppe eine Sparte des Sportvereins. Am 24.1.58 spaltete sich die Gruppe ab und gründete den Schützenverein "Gut Schuß". 1969 wurde beschlossen, das Schützenhaus, daß sich in einem Steinbruch der Realgemeinde zwischen Settmarshausen und Olenhusen befand, zu erweitern. Mit einem stattlichen Anbau wurde der Beschluß in die Tat umgesetzt. Am 31.5.73 konnte die Einweihung vorgenommen werden. Im Vordergrund steht neben der Ausübung des Schießsports die Pflege der Geselligkeit.
Als kleinerer Verein ist der DRK-Ortsverein zu nennen. Jeder Helfer des Unterkunftzuges, der sich 1970 etabliert hatte, mußte die Ausbildung zum Sanitäter durchlaufen. Der Zug beteiligte sich an Sportveranstaltungen und Gemeindefesten. Seit etlichen Jahren haben es sich Frau Lina Nitsche und ihr Team zur Aufgabe gemacht, Altennachmittage und Ausfahrten zu organisieren. Neuerdings hat sich auch eine Senioren-Volkstanzgruppe gebildet, die sicherlich nach einer gewissen Anlauf- und Übungszeit die dörflichen Festlichkeiten mit ihren Auftritten verschönern wird.
Aus dem früheren Kriegerverein ,der von zurückgekehrten Kriegsteilnehmern des 1.Weltkrieges gegründet wurde, ist der Kyffhäuserbund hervorgegangen. Der Verein richtet die alljährliche Feier am Ehrenmal aus, dessen Pflege er auch übernommen hat. Ansonsten wird die Pflege der Kameradschaft groß geschrieben.
Der Junggesellenverein wurde 1910 gegründet. Die Aktivitäten ruhten während der Kriegszeiten und wurden nach dem 2. Weltkrieg für einige Jahre wieder aufgenommen.
Als letzer sei noch der Polizeihundeverein PHV genannt. Er bildet auf einem vereinseigenen Grundstück Hunde aus. Die Geselligkeit kommt auch hier nicht zu kurz.
Zwei Schulen mit je zwei Klassen, die auch von Kindern aus Klein Wiershausen und vom Rischenkrug besucht werden mußten, sowie eine Pfarrstelle prägten schon von altersher das Ortsbild. Zur Pfarrstelle gehörten außer Settmarshausen die Orte Klein Wiershausen, Groß Ellershausen und Hetjershausen. Die Konfirmanden dieser Orte mußten bis zur Eingemeindung nach Rosdorf im Jahre 1972 die Pfarre in Settmarshausen besuchen. Die Konfirmation fand in der hiesigen Kirche statt. Der Gottesdienst in Settmarshausen fand jeden Sonntag statt. Die Klein Wiershäuser Einwohnerschaft wurde in diesen Gottesdienst mit einbezogen. Hingegen wurde in den beiden anderen Gemeinden in umschichtigem sonntäglichen Rhythmus ein Gottesdienst angeboten. Der Pfarrer legte die Wege mit dem Fahrrad zurück. Vor dessen Erfindung war das immer ein anstrengender Fußmarsch. Nach der Eingemeindung gehörten die Ortschaften Mengershausen, Lemshausen und Klein Wiershausen zum Kirchspiel.
Ganz wichtig für die Ortschaft war die Poststelle. Halterin war seit den 30er Jahren Familie Henneke. Vorher kam ein Postbote täglich zu Fuß aus Dransfeld. Die Stelle ist bis auf den heutigen Tag auf dem Hennekeschen Grundstück untergebracht. Das Postauto diente früher offiziell als Personenbeförderungsfahrzeug nach Göttingen. 2 bis 3 Personen fanden im Postauto Platz und wurden gegen Entgelt befördert.
Die Gemeinde Settmarshausen war bis zur Eingemeindung nach Rosdorf 1972 politisch eine selbständige Kommune, die ehrenamtlich verwaltet wurde.
Politische Parteien spielten bis 1972 nur eine untergeordnete Rolle, mit einer Ausnahme. Bedingt durch den Zuzug der Flüchtlinge hatte sich kurzzeitig der BdV (Bund der Vertriebenen) etabliert. Nachdem sich viele Flüchtlinge im Neubaugebiet Eigentum geschaffen hatten, verschwand die Partei wieder aus der politischen Landschaft. Vielleicht noch erwähnenswert, daß sich die Landwirte und Hauseigentümer im Altdorf einen eigenen Verband schufen, in dem sie ihre Interessen vertreten sahen. Der Realgemeindeverband besteht bis zum heutige Tage.
Irmgard Bergmann
geb.Rümenap
Arbeitsplatz Rittergut Olenhusen
Das Rittergut Olenhusen war seit jeher ein Ortsteil von Settmarshausen. Es bot in den Vorkriegsjahren vielen Settmarshäuser Familien einen Arbeitsplatz. Zum Teil wohnten die Familien, die auf dem Gut arbeiteten, in Deputatshäusern. Zwei solcher Häuser, in denen jeweils zwei Familien wohnten, gab es in Settmarshausen. Die Häuser wurden in den Nachkriegsjahren verkauft.
Die Männer arbeiteten meistens als Gespannführer. Ihre Löhne waren nicht sehr hoch. Deshalb bekamen sie als Deputat mietfreie Wohnung und dazu ein Stück Land vom Gut, welches sie eigens für sich bewirtschaften konnten. In der Erntezeit wurden auch die Frauen der Arbeiter mit eingestellt. Die Männer mähten mit der Sense das Getreide, und ihre Frauen mußten es hinter ihnen abnehmen und bündeln. Ansonsten sah man die Frauen oder Kinder mit Henkeltöpfen am Arm den Männern ihr Mittagessen bringen. Damit das Essen nicht kalt wurde, wurde eine Abkürzung benutzt, ein Weg zwischen Krugwiese und Luhbach entlang. Während die Männer ihr Mittagessen verzehrten, besprachen sie mit ihren Familien die Nöte des Alltags.
Im Juni jeden Jahres gab es für die Kinder aus Settmarshausen auch einen schönen Nebenverdienst. Da wurde in der Schule bekanntgemacht, daß Olenhusen Kinder zum Rübenverziehen brauche. Wer Lust und Zeit hatte, konnte sich nach der Schule um 12.30 Uhr auf dem Thie einfinden. Dort hielt dann ein Pferdewagen, der mit Sitzbrettern bestückt war. Die Kinder fuhren mit Gesang aus dem Dorf hinaus. Auf dem Rübenfeld angekommen, empfing ein Aufseher mit einer Hacke die Kinderschar. Sie mußten vor den Rübenreihen Aufstellung nehmen, ob sie eine oder zwei Reihen vornehmen wollten. Die größeren Kinder entschieden sich für zwei Reihen, dafür gab es 67 Pfennig pro Nachmittag. Die kleineren erhielten für eine Reihe 45 Pfennig. Die Reihen waren von Erwachsenen meistens in Akkordarbeit vorher bereits versetzt (verhackt) worden. Nun mußten die Pflänzchen verzogen werden, d.h. die größte Rübe eines Horstes (einer Gruppe) mußte immer stehen bleiben, während die übrigen weggezogen wurden. Der Aufseher folgte mit einigem Abstand den Kindern und kontrollierte die Arbeit. Da kam es auch schon mal vor, daß ein Kind zurückgeholt wurde, wenn statt einer Pflanze noch zwei stehengeblieben waren. Meistens war er aber human und bückte sich selber. Wer seine Reihen durchgezogen hatte, durfte sich am Feldrand ausruhen, bis alle durch waren. Dann begann das Ganze in entgegengesetzter Richtung. Um 18.00 Uhr war Feierabend. Dann wurden die Kinder wieder nach Hause gefahren.
Freitags war Zahltag. Da gab es auf dem Gut nach Feierabend das verdiente Wochengeld bar auf die Hand. Da Taschengeld zu der Zeit noch nicht üblich war, war die Freude bei den Kindern natürlich groß. Sie waren dementsprechend stolz, wenn sie das selbstverdiente Geld ihren Eltern zeigen konnten. Außer Schulutensilien, die dafür angeschafft werden mußten, blieb auch meistens noch etwas für Süßigkeiten übrig.
Irmgard Bergmann
geb.Rümenap
Amtliche Bekanntmachungen der Gemeinde Settmarshausen in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts
Zu meiner Kindheit Anfang der dreißiger Jahre gab es in der Gemeinde ja noch kein Gemeindeblatt, aus dem jeder Bürger alles Wissenswerte oder auch natürlich weniger Interessantes für sich erfahren konnte.
Dazumal war noch die Mund zu Mund Unterrichtung in. Wenn der Bürgermeister seinen Bürgern etwas mitteilen wollte, mußte zunächst die große Gemeindeglocke her. Eine der Töchter des damaligen Bürgermeisters August Pinne mußte mit dieser ziemlich schweren Glocke im Dorf auf und ab laufen und kundtun, daß der Bürgermeister etwas bekannt geben wollte. Wenn von den Mädchen gerades keines griffig war, wurde irgendein Junge dazu aufgefordert. Gegen ein Entgelt von ca. 10 Pfennig war das schon ein Geschäft. Die 10 Pfennig wurden dann sofort beim Kaufmann Fredershausen oder Bürger in Bolchen umgesetzt. "Für 10 Pfennig wo es die meisten von gibt". Nach diesem Klingelruf kam nun aus jedem Haus einer herbeigeeilt, der auch in der Lage war alles zu behalten, was es Neues gab, und alle versammelten sich auf dem Thie. Wir brauchten uns nur in die Haustür zu stellen, weil wir ganz nah am Thie wohnten. Das war schon sehr praktisch.
Nach geraumer Zeit, wenn die Glocke verstummt war und alle Zeit genug hatten am Platz zu sein, ergriff der Bürgermeister das Wort. "Nu hört mol alle tau". Dann kam so alles zur Sprache, was dem Bürgermeister am Herzen lag. Steuern sollten beim Gemeinderechnungsführer bezahlt werden, Wege wurden verpachtet, Apfel- oder Zwetschenbäume zur Ernte verkauft und so verschiedenes mehr. Am Ende aller Mitteilungen kam immer der Satz "Ssau wejjer was et nitz". Danach verlor sich der Haufen wieder in seine Behausungen. Manchmal war es so allerhand, was zu Hause dann auch richtig weitergegeben werden mußte.
Oft standen noch kleinere Gruppen längere Zeit zusammen, um auch private Neuigkeiten auszutauschen. Ob die Männer bei der Gelegenheit auch mal in der Kneipe hängengeblieben sind, habe ich in meinem Alter wohl nur noch nicht so beobachten können.
Dora Makowka
geb. Bürger
Schlachtefest
Ein wahres Fest war immer das Schlachtefest. Dazu wurde auch die Verwandtschaft eingeladen, zumindest zum Abendessen. Die Vorbereitungen begannen schon einen Tag vorher. Da mußten Schlachtetisch, Brühtrog und Mollen zusammengeholt werden. Nur wenige Familien besaßen diese Gegenstände. Sie wurden ausgeborgt. Gewürze und Därme mußten eingekauft und die Weißblechdosen beim Kaufmann mit einer Maschine, die nur er besaß, abgeschnitten werden. Auch die Flasche Korn gehörte zum Einkauf. Der Kessel im Backhaus wurde mit Wasser gefüllt, das meistens aus einem Dorfbrunnen herbeigeschafft werden mußte. Die Hausfrau stand dann morgens als erste auf und heizte schon mal beim Scheine einer Petroleumlampe den Wasserkessel ein. Gleichzeitig mußte sie Kaffee kochen. Wenn dann, sobald es hell wurde, der Schlachter kam, trank die ganze Familie erstmal Kaffee. Es gab meistens Luffen (Weißbrot) mit Zwetschgen- oder Birnenmus.
Nachdem das Schwein geschlachtet war, die Kinder mußten es am Schwanz festhalten (Scherz), stand die Hausfrau mit einem Eimer parat, um das Blut aufzufangen. Es mußte dann im Eimer ordentlich gerührt werden, damit es nicht klumpte. Nach dem Abbrühen des Schweines wurde es von 2-3 Männern mit Kratzglocken seiner Borsten entledigt. Wenn dann das Schwein am Haken hing wurde folgender Spruch gesprochen: "Sobald das Schwein am Haken hängt, wird erstmal einer eingeschenkt." Die Därme wurden dann im Brühtrog mit Salz und einem Reisigbesen gereinigt.
Mittlerweile hatte der Fleischbeschauer seine Arbeit getan. Es wurde nochmals ein Schnäpschen getrunken und man war froh, wenn der Fleischbeschauer keine Trichinen festgestellt hatte, was früher öfter vorkam. Nun konnte die Leber in der Küche zum Frühstück hergerichtet werden. Nach dem Frühstück begann das Würstemachen. Nachdem die Frau des Hauses noch einen Schinken und zwei Seiten Speck beim Schlachter bestellt hatte, mußte ein starker Mann ran, der das Fleisch durch die Wurstmaschine drehte. Das Wurstgut wurde in verschiedene Mollen aufgeteilt und in der Regel zu Mett-, Kopf-, Schwarten-, Rot-, Leber- und Weißwurst verarbeitet. Die Würste mußten vom Schlachter per Hand eingedrückt werden. Ein Mann mußte die Wurst binden. Für die Verwandtschaft wurde Pfannenwurst hergestellt, in die immer etwas Weißbrot eingemischt wurde, um die Menge etwas zu vergrößern. Die Kinder liefen den ganzen Nachmittag mit einer blutverzierten Wange herum.
Sie hatten sich vom Schlachter "eine Wurst anmessen" lassen.
Die anfallende Fleischbrühe wurde unter Verwandten und Nachbarn verteilt. Die Fleischknochen wurden eingesalzen und nach zwei Wochen am Haken aufgehängt. Zur Vesper wurde Gehacktes, Kesselfleisch und Sauerkraut verzehrt. Wenn alles soweit fertig war und die Wurst im Kessel brodelte, stand die Hausfrau mit Kelle und Schmalztopf bereit, um das Fett von der Wurstbrühe abzufüllen, es auszubraten und Schmalz herzustellen. Bevor das Abendessen begann, mußten alle Geräte, sowie Mollen und die kupferne Schlachtekelle gesäubert werden. Letztere wurde mit Sidol geputzt. Beim Abendessen war dann die ganze Verwandtschaft versammelt. Es gab Suppe mit Mettklößchen und als Nachtisch Kürbis. Zu der Essenszeit erschienen dann einige Verkleidete mit einem Korb und Henkeltopf. Sie übergaben einen Zettel, auf dem um eine milde Gabe gebeten wurde. Sie bekamen von der Hausfrau von allem etwas eingepackt. Am nächsten Tag wurden an die Nachbarskinder Weißwürste verteilt. Jedes Kind bekam eine kleine Wurst, die je nach Größe der Kinderschar der Familie zu einer Traube zusammengebunden waren.
Die Verwandtschaft wurde mit der zuvor angesprochenen Pfannenwurst und einer Weißwurst bedacht. Als letztes wurden die Wurstdosen, gut gefüllt, mit einer entsprechenden Maschine wieder verschlossen und gekocht.
Irmgard Bergmann
geb. Rümenap
Das Wäschewaschen vor dem Ersten Weltkrieg
Etwa alle zwei Monate wurde die Leibwäsche gewaschen. Da jedes Familienmitglied nur am Samstag jeder Woche die Wäsche gewechselt hat, gab es nicht so viel Wäsche, wie es heute der Fall ist. Der Zeitpunkt des Waschens wurde dann bestimmt, wenn ein Waschkessel voll war mit schmutzig gewordener Wäsche. Bestimmte Wochentage waren für diese Arbeit vorgesehen, im Sommer möglichst, wenn schönes Wetter angesagt war. Eine Nachbarin half dabei. Außer dem Vater waren die meisten Familienmitglieder mit zum Helfen engagiert.
Morgens früh wurde begonnen. Ein dreibeiniges Holzgestell war der Waschplatz. Waschmittel gab es nicht - das erste Waschmittel gab es erst nach dem 1.Weltkrieg, etwa 1920.
Eine Zinkwanne kam unter das Dreigestell. Auf das Dreigestell wurde ein aus Weide geflochtener Korb gestellt, ein Leinentuch hineingelegt, darüber ein Sack. Auf diese beiden Tuchschichten wurde Asche gefüllt, bis der Boden des Korbes ausgefüllt war. Der Waschkessel wurde mit Holz angeheizt. Wenn das Wasser darin kochte, wurde es mit einer Schöpfkelle entnommen und über die Asche im Weidenkorb gegeben. Dieser Vorgang wiederholte sich, bis die Wanne unter dem Dreigestell gefüllt war. Der Zweck war, das Wasser besonders weich zu bekommen. In dieses weiche Wasser wurde die Wäsche gelegt. In dem heißen Wasser wurde dann gewaschen, d.h. das Waschbrett wurde in die Wanne gestellt, die Wäschestücke einzeln über das Waschbrett gelegt, mit Kernseife eingerieben, ganz grob zusammengelegt und über das Waschbrett gerubbelt, bis es sauber war. Um dies festzustellen, wurde das Wäschestück in die Waschlauge getaucht und gerade herausgezogen. Wenn noch Flecken vorhanden waren, wiederholte sich der Arbeitsgang nochmals. Für diese Arbeit hatten wir eine Waschküche in Stallnähe. Zwei Tage waren zum Waschen vorgesehen. Nach dem Durchlaufen des Wassers zum Weichmachen mit Asche wurde die Wäsche ausgewrungen und auf der Bleiche - einem sauberen Rasenplatz - ausgebreitet, und von der Sonne ausgebleicht. Wenn ein Wäschestück trocken wurde, konnte man sehen, daß es mit Asche behandelt wurde, es war braun. Nun war meine Aufgabe, die Wäschestücke mit einer kleinen Gießkanne zu besprengen, d.h. sie wurden wieder naß gemacht. Die Wäsche blieb über Nacht auf der Bleiche. Am anderen Tag kam die Wäsche in den Waschkessel zurück und wurde ausgekocht und gespült. Beim Auswringen wurden bei großen Wäscheteilen wie Bettbezüge und Bettlaken zwei Personen benötigt. Die Arbeit war sehr anstrengend und schwer, nicht für Kinder zu bewerkstelligen.
Nach dem Sauberspülen wurde die Wäsche aufgehängt. Die Wäscheleine wurde zwar immer fest gespannt, aber in der Mitte hing sie meistens von der nassen Wäsche durch. Damit die gewaschenen Teile nun nicht auf die Erde schlugen, wurde eine Stange mit einer Gabelung angestellt, manchmal auch zwei, damit der Wind sie nicht umwarf. Besondere Wäschestücke wie Tischdecken oder gute Schürzen wurden eingesprengt und feucht gebügelt. In früheren Zeiten wurden die Stücke zusammengefaltet und es wurde sich daraufgesetzt. Ein Bügeleisen wie heute gab es nicht. Es gab Bügeleisen, die auf der heißen Herdplatte erwärmt wurden und solche, die mit heißer Kohle erwärmt wurden.
Die guten Wäschestücke, die meistens aus der Mitgift stammten, waren noch handgewebt und wurden in einem guten Wäscheschrank fein geordnet aufbewahrt. Bevor sie dorthin kamen, stellte man fest, ob die Wäsche noch heil war. Zerschlissene Teile wurden ersetzt in Form von säuberlich aufgenähten Flicken.
Ursula Harusta
Nach einem Interview mit Frau Lydia Oberdieck im Januar 1989 aufgezeichnet. Frau Oberdieck, die inzwischen verstorben ist, war zur Zeit des Interviews 90 Jahre alt.
Brauchtum
Bis in die fünfziger Jahre haben sich in Settmarshausen einige Bräuche erhalten:
Am Tag der Fastnacht versorgten sich morgens Männer des Ortes, vor allem die verheirateten, mit sogenannten Giffeln, das waren Stangen mit zwei Ästen, wie man sie früher unter die Wäscheleinen stellte. Damit zogen sie von Haus zu Haus und baten, vor allen bei den Landwirten, um Wurst und Eier. So gegen Mittag, wenn alle Höfe abgeklappert waren, ließen sie sich mit ihrem "Gesammelten" in der Gastwirtschaft nieder. Da wurde dann ein kräftiges Mahl eingenommen, welches sich den ganzen Tag hinzog. Natürlich wurde auch tüchtig dazu gebechert. Die Frauen waren von dieser Veranstaltung ausgeschlossen.
Am Abend des ersten Ostertages wurde ein Feuer entzündet. Dafür hatten am Ostersonnabend Jugendliche mit einem eigens dafür hergerichteten Wagen Holz eingesammelt. An der Deichsel des Wagens war ein langes Seil angebracht, das in Abständen mit Knüppeln verknotet war, so daß immer zwei Jungen einen Knüppel fassen konnten, um so den Wagen zu ziehen. Die Dorfbewohner waren auf diese Zeremonie vorbereitet und hatten vorsorglich Reisigwellen (Bündel) vor ihre Grundstücke gelegt. Mit Hallo und Gesang setzte sich die Kolonne in Bewegung. Dabei wurde dann das Lied gesungen: "Ene dicke chrote Welle taun Poschefeuere. Ene, twa, dra, veere, fiewe, ssesse, semte, achte, neejen, tane möt et ssien, ssüsst könnt we nech mehr lustich ssien. Poooschwellen!" Dabei fuhren sie dann von Grundstück zu Grundstück und sammelten die "Wellen" ein.
Im Laufe der Zeit wechselte die Stelle, an der das Osterfeuer abgebrannt wurde, mehrmals. Mit fortschreitender Bebauung der Ortschaft mußte jeweils die Brennstelle des Osterfeuers weichen. Früher befand sie sich in der "Oskuhle", dort wurde auch Abfall abgeladen. Mit dem Bau der "Alten Heerstraße" und des Maschinenschuppens kam das "Aus" für das Osterfeuer. Es wurde auf eine Stelle unterhalb des Sportplatzes verlagert, bis auch hier Häuser entstanden. Heute ist der Platz dafür südlich des Dorfes am "Münderstieg". Es besteht die Aussicht, daß es dort vorläufig verbleiben kann.
Nun zurück zu früheren Zeiten. Am Ostersonnabend, wenn die Dämmerung einbrach, sah man scharenweise Familien, die Kinder mit Lampions, in Richtung Osterfeuer wandern. Ich kann sagen, das ganze Dorf war auf den Beinen. Um das Feuer war ein dichter Kranz von Menschen geschlossen. Die Frauen stimmten Frühlingslieder an. Einige stellten sich auch mit dem Rücken zum Feuer, um ihren "Puckel" zu wärmen, damit er im Sommer bei der Feldarbeit nicht weh tat. Auch bei allen umliegenden Ortschaften loderten die Feuer, so daß ein stimmungsvolles Bild entstand. Wenn das Feuer ziemlich heruntergebrannt war, versuchten die Kinder und Jugendlichen über die Glut springen. Grillwürstchen und Getränke gab es zu der Zeit noch nicht.
Zu Pfingsten gab es noch einen Brauch unter den Jugendlichen und Verliebten des Dorfes. Wenn jemand von den Burschen ein Mädchen gern hatte, so stellte er ihm zum Pfingstmorgen einen "Maibaum" (kleine Birke) unters Fenster. Hatte sich jemand mit seiner Liebsten verkracht, dann fand sie am Pfingstmorgen einen Dornenbusch. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß das immer ein spannender Augenblick war. War es ein Maibaum, blieb er demonstrativ stehen, aber ein Dornenbusch wurde schleunigst weggeräumt.
Der Brauch ,zur Kirmes einen Festzug mit verschiedenen Wagen und Gruppen aufzustellen, hat sich ja bis heute erhalten.
Im Winter, zur Schlachtezeit, war es Brauch, daß jemand, der ein Schwein schlachtete, damit rechnen konnte, daß zur Vesperzeit eine Gruppe Verkleideter kam. Sie brachten vorsorglich Teller und eine Milchkanne mit und baten um eine milde Gabe für die hungernden Familienmitglieder. Sie übergaben einen Zettel, auf dem das alles geschrieben stand. Die Hausfrau füllte ihnen Schlachtesuppe in die Kanne und füllte ihre Teller mit Mett und Kesselfleisch. Nachdem sich die Gruppe artig bedankt hatte, zog sie in die Gastwirtschaft, um so auf ihre Weise Schlachtefest zu feiern. Derweil beratschlagten und rätselten die Familienmitglieder zu Hause, wer wohl alles zu den "Utjekleeten" gehört hatte.
Am Silvestermorgen gab es das "Umringen". Da zogen schon am frühen Morgen kleine Kolonnen von Kindern mit selbstgenähten Beuteln los, um von Haus zu Haus zu gehen zum "Ümmesingen". Dabei wurde dann zuerst immer der Vers "Olet Johr, nejet Johr" gesungen. Dann folgte "Schlöttel upn Dieke". Das dritte Lied wurde hochdeutsch gesungen: "Ich bin ein kleiner König". Wenn sich dann immer noch nichts tat, folgte der Vers "Witten Tweern, schwatten Tweern". Meistens aber erschien die Frau des Hauses, um Äpfel, Süßigkeiten und Kekse zu verteilen. Das wurde alles in den Beutel getan. Manchmal gab es auch Pfennige, die wurden dann gleich beim Kaufmann in Bolchen umgesetzt. Seit dem Entstehen der Siedlung gibt es diesen Brauch nicht mehr. An seine Stelle trat das Martinssingen.
Um seine Warzen loszuwerden, mußte man ein Begräbnis abwarten. Wenn beim Leichenzug auf dem Weg zum Friedhof der Leichenwagen an der Stelle war, wo die Beeke unter der Straße zur Mühle floß, benetzte man unter der Brücke die Warzen mit Beekewasser und sprach dazu:
Et lütt den Dooten in ssiea Chraw,
eck wasche mieae Liedörn* aw.
* Leichdorn
Irmgard Bergmann
geb. Rümenap
Verse zu Silvester (Umsingen)
Olt Joahr, nejjet Joahr,
moket mienn Bühl schwoar
met Äppeln un met Beern,
da willt we chaut verteern.
Obere in de Höchte
hänget dicke Wöste,
de klaanen lotet hängen
de dicken chewet meck.
Slötel upn Dieke,
... - Tante is ssau rieke,
... - Tante is ssau hübsch un chlatt,
eck chlöwe, se scheaket weck ook emol wat.
Ich bin ein kleiner König,
gebt mir nicht so wenig,
einen kleinen Silberling,
der in meinem Beutel klingt
Hatten sie bis dahin nichts bekommen, sangen die Kinder:
Witten Tweern, schwatten Tweern,
chiezije Luije chewet nech chern
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